Baujahr 1939.
Erstanden in der Woche vor Weihnachten bei ebay. Wer's noch nicht
bemerkt hat: ich arbeite bei Blaupunkt, allerdings an Produkten, die 60
Jahre später entstanden als dieses Radio.
Restauration
Das Radio ist klasse: anschauliche Radiotechnik zum Anfassen;
eine Röhre macht die HF-Arbeit, die andere die zweistufige
NF-Verstärkung. Kommt noch'n bisschen Spannungsversorgung dazu und
schon kann man Mittelwelle hören. Der Schaltplan passt gut lesbar
auf eine DIN-A4-Seite.
Bis auf die Rückwand, den Skalenzeiger und den Bedienknöpfen
ist das Gerät vollständig.
Die Durchsicht erfolgt von Spannungsversorgung über
NF-Verstärker nach Gesamtfunktion. Schade,
weit komme ich nicht: schon der Netzschalter ist mechanisch defekt. Der
Schalter wird über das Lautstärke-Poti bedient, der Schleifer
der Potis ist von der Welle gebrochen. Das war sicher der Grund, warum
der vorherige Besitzer das Radio weggegeben hat. Das Poti ist
zusätzlich mit der Rückkopplung kombiniert, das macht's noch
etwas komplizierter.
Nach dem Ausbau und längerem Studium der Funktion wird der
Poti-Schleifer mit Epoxid-Harz mit der Welle verbunden. Den Mitnehmer
für den Netzschalter lasse ich weg, da ich die mechanische
Belastung als zu hoch einschätze.
Die elektrische Inbetriebnahme fängt kompliziert an: der Stecker
passt nicht in die Steckdose. Er ist noch aus der Zeit, als es keinen
Schutzleiter gab. Da es sehr schade wäre, ihn einfach
abzuschneiden und zu ersetzen, baue ich einen Adapter mit
gebräuchlichem Netzstecker auf der einen und 2 Bananenbuchsen auf
der anderen Seite. Die ersten Versuche finden mit in Reihe zum Radio
geschalteter Glühlampe an und verlaufen positiv: die Schaltung hat
zunächst keine Kurzschlüsse; später schmurgelt dann der
parallel zur Gleichrichterröhre geschaltete Kondensator.
Die Anodenspannung hinterm Gleichrichter erreicht zunächst max.
65V, was daran liegt, dass die Verbindung zum ersten Siebelko
unterbrochen ist. Nach korrekter Verbindung ist die Anodenspannung
höher, der zweite Siebelko fängt aber an zu kochen. Beide
werden ersetzt, ich habe noch welche in der Bastelkiste.
Die NF-Stufe gibt das aus dem Kofferradio eingespeiste Signal
nach
Ersatz des Koppelkondensators (in jedem Röhrenradie der
Hauptverdächtige!) laut wider. Mit jedem abgelötetem
Kondensator klingt die Endstufe besser, deshalb werden alle Teer- und
Plastikkondensatoren zum Austausch vorgemerkt.
Der HF-Teil funktioniert prinzipiell: er kracht und knistert, im
Hintergrund
sind starke Sender wie Deutschlandfunk und NDR-Info zu hören.
Letztendlich hilft auch hier nur eines: alle schwarzen Kondensatoren
müssen ersetzt werden. Das hilft, nach Ausführung kann der
Mittelwellenbereich sauber durchgestimmt werden, abends sind jede Menge
europäischer Sender zu hören.
Nach der elektrischen Inbetriebnahme folgt ein ganzer Haufen
Kleinkram, der zwar ganz einfach beschreibbar ist, aber jede Menge Zeit
beansprucht: dem Klangregler auf der Rückseite fehlt der
Mittelabgriff, er wird aus einer Bleistiftmine nachgebaut und
eingeklebt. Der Skalen-Hintergrund ist zerrissen und wird aus
Transparentpapier nachgebaut. Das Skalenseil liegt zerrissen im
Gerät: Kunststoffschnur einwachsen und einbauen. Der Skalenzeiger
fehlt: Schweissdraht biegen, rot lackieren und montieren. Die Pappe
hinter der Skalenlampe glänzt nicht mehr und wird mit Alufolie
überzogen. Die Knöpfe vorn fehlen, ich habe noch 2 mechanisch
und optisch passende. Bleibt eigentlich nur noch die fehlende
Rückwand. Aus einem Rest Presspappe aus dem Baumarkt wird sie
nachgebaut. Natürlich sieht sie dem Original nicht ähnlich:
falsche Grundfarbe, fehlende Logos, keine kunstvoll ausgestanzten
Lüftungsschlitze. Selbst wenn ich sie äußerst kunstvoll
nachbauen würde, sähe der Fachmann sofort, dass es nicht das
Original ist. Also so einfach wie möglich, auf dem
Restaurationsblatt ordentlich dokumentiert, und wenn ich auf einem
Flohmarkt mal eine sehe, dann nicht lange überlegen.
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