Baujahr 1935.
29.05.2004 Erwerb
Am 29.5.2004 auf dem Hildesheimer Flohmarkt erworben.
Habe mich in der Einschätzung des Radiobaujahrs gewaltig geirrt:
eigentlich gucke ich gerade nach Geräten Anfang der 50er, und da
das hier kein UKW hat, glaubte ich, das wär' so eins. Als ich dann
abends im radiomuseum.org
nachsah, war ich ganz schön erstaunt. Ich weiß noch nicht,
wie ich mit so alter Technik umgehe, auf jeden Fall sehr vorsichtig.
Das Radio kommt erstmal verpackt in den Keller. Im Sommer wird
kein neues Projekt angefangen, hierfür gibt es lange Winterabende.
26.07.2004 Inbetriebnahme I
Der diesjährige Sommer erlaubt einige Abende im Keller.
Außerdem bin ich neugierig, ob das Radio irgendwie
geht. Nach der üblichen Reinigung von Chasis und Gehäuse wird
zunächst mit dem Ohmmeter der Heizkreis der Röhren gemessen.
Es ist notwendig, die Kontakte am Netzschalter und an der Sicherung zu
polieren, danach ist der Widerstand endlich. Mit
Vorschaltglühbirne am Trenntrafo fließt Strom, der
Urdox-Widerstand wird warm, es ist nichts zu hören. Nach
Entfernung der Glühbirne beginnt es
unterm Chasis zu sprotzeln, auf dem Kondensatorblock tropft etwas.
Mindestens ein Kondensator aus dem Block
ist defekt. Wahrscheinlich hat es den direkt an der Netzspannung
zerlegt.
Der Block muss vollständig ausgebaut
werden, also vorher fotografieren und einen Anschlussplan zeichnen.
Alle abgelöteten Drähte werden mit Klebeband gekennzeichnet.
Es sind 6 Kondensatoren untergebracht, die sich nicht
zerstörungsfrei ausbauen lassen. Letztendlich muss die obere
Teerschicht, mit der der Block vergossen ist, durchbohrt werden. Nach
einer Serie von Löchern kann der Inhalt rausgepuhlt werden.
Vor dem Ausbau ist noch ein mechanisches Problem
zu lösen: das Chasis lässt sich nämlich nicht auf den
Kopf stellen. Mit ein paar Holzresten aus dem Keller wird es
"eingerüstet". Für die spätere Inbetriebnahme wird das
auch nützlich sein, da alle Messpunkte nur von unten erreichbar
sind.
Die Originale werden durch in Kunststoff
eingegossen Elemente ersetzt. Der an der Netzspannung liegende
Kondensator besteht nun aus 2 in Reihe geschalteten; erstens habe ich
den Wert nicht passend, zweitens hat er so auf jeden Fall die
erforderliche Spannungsfestigkeit. Der Platz in der Büchse reicht
zum Einbau aus, als Verschlussmaterial verwende ich eine Schicht
Styropor.
Nach dem Wiedereinbau des reparierten Blocks kann Spannung angelegt
werden, ohne dass es schmort oder sprotzelt. Leider bleibt der
Lautsprecher stumm.
20.08.2004 Inbetriebnahme II
Sinnvoll ist nun, zunächst den NF-Teil zu
überprüfen. Hierzu wird das Lautsprechersignal eines
Kofferradios auf den Plattenspielereingang gegeben. Es kommt ganz leise
und verzerrt durch, d.h. die CF3 oder CL4 oder beide arbeiten nicht
korrekt. Die Zuleitung der Anodenspannung zur CF3 scheint irgendwie
unterbrochen, es sind nur ca. 10V Anodenspannung zu messen. Die
Unterbrechung ist schnell gefunden und mit Nachlöten eine
Lötstelle behoben. Das eingespeiste Signal ist laut zu hören,
allerdings liegt ein lauter Brummton darüber. Der wird durch
Einlöten eines Siebkondensators parallel zum existierenden
beseitigt.
Die HF-Stufe funktioniert jetzt auch, nachmittags sind 2
Mittelwellensender schwach zu empfangen. Guter MW-Empfang ist erst
nachts möglich, da die Soneneinstrahlung die Ausbreitung der
Wellen behindert. Also sitze ich spät abends im Keller, 1 Meter
Draht als Antenne in der Hand, und fühle mich wie ein
Radiopionier: mit der einen Hand die Senderabstimmung bedienen (den
Draht festhalten), mit der anderen die Rückkopplung gerade so
einstellen, dass es nicht pfeift. Es sind jede Menge Sender in vielen
Sprachen zu empfangen. Natürlich ist die Qualität nicht mit
UKW-Empfang vergleichbar, es pfeift, knistert, rauscht, Sender kommen
und gehen. Für den damaligen Besitzer muss es ein unvorstellbares
Gefühl gewesen sein, erstmalig Stimmen aus dem Äther zu
hören. Wir und erst recht unsere Kinder können uns das in
Zeiten des "berieselt werden" nur schwer vorstellen.
Aktualisiert am 20.12.2005 |